“LIVING ARCHIVES”
Geschichte und Gegenwart intersektional-feministischer Bewegungen in Theorie und Praxis

27. – 28. Juni 2024 | Universität Bremen

Tagung der Sektion „Politik und Geschlecht“ in der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft in Kooperation mit dem DFG-Graduiertenkolleg „Contradiction Studies“ und dem Forschungsverbund „Worlds of Contradiction“

Der 15. Sprecher*innenrat der Sektion „Politik und Geschlecht“ in der DVPW (Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft) veranstaltet anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Untergliederung die Tagung „Living Archives“. Die Tagung steht unter dem Vorzeichen einer überfälligen Würdigung der Bewegungsgeschichte intersektionaler Feminismen in deutschsprachigen Kontexten sowie deren transnationalen Verbindungen. Die Berücksichtigung von Rassismus- und Antisemitismuskritik, von klassenkämpferischen und migrantischen, jüdischen, afrodeutschen und Schwarzen, Rom*nja und Sinti*zze, ableismuskritischen und queer*feministischen Perspektiven musste erst durch jahrzehntelange Selbstorganisierung erkämpft werden. Oftmals bleibt diese prekär.
Der Bezug auf diese Gegenarchive soll dabei die gelebten Erfahrungen von Menschen und Gemeinschaften, ihre vielfältige Wissens- und Theoriebestände sowie politischen Praktiken und Organisationsformen in den Vordergrund stellen. Diese wurden bislang weder vom politikwissenschaftlichen Kanon noch von der akademischen Frauen- und Geschlechterforschung hinreichend anerkannt als wegweisend für eine pluralistische, postnationalsozialistische und postkoloniale Demokratisierung des Zusammenlebens. Die „Living Archives“ intersektionaler Bewegungsgeschichte – das möchte die Tagung sichtbar machen – stellen ein reichhaltiges Reservoir dar, um transformative Horizonte für die Gegenwart und Zukunft zu erschließen.
In der Verknüpfung von intersektional-feministischer Theorie und Praxis mit den in Bremen ansässigen Contradiction Studies soll darüber hinaus das emanzipatorische Widersprechen gegen hegemoniale Archive feministischer Wissensproduktion und Bewegung in den Blick genommen werden. Die Tagung möchte daher Raum für eine kritische Bestandsaufnahme schaffen.Diese soll Querverbindungen und verdrängte Perspektiven ebenso berücksichtigen wie die Widersprüchlichkeiten und Widerspenstigkeiten gelebter Archive und deren Formierungsgeschichten.
Ziel ist daher nicht die bloße Inklusion dieser Traditionen und Wissensbestände in den universitären Kanon: Widerständige Genealogien können vielmehr zum Ausgangspunkt der Kritik bestehender Funktionsweisen und Exklusionsmechanismen akademischer Wissensproduktion werden. Auch die mögliche Kompliz*innenschaft akademischer Wissensproduktion mit verschiedenen Formen von Herrschaft und Ungleichheit gilt es sichtbar zu machen.
Da Wissensproduktion nicht nur im akademischen Kontext stattfindet, nimmt die Tagung auch außeruniversitäre sowie politische, künstlerische und kulturelle Wissensproduktion und Bewegungsformation in den Blick, welche oftmals erst den Anstoß zu akademischer Wissensproduk-tion gegeben haben.

EINREICHUNGEN

Die Organisator*innen wünschen sich eine möglichst große inhaltliche Bandbreite, um intersektionale Bewegungsgeschichte in der Theorie, der Praxis und in deren konfliktiven wie produktiven Verbindungen und inter- wie transdisziplinären Verortungen abzubilden und zu diskutieren.

Wir freuen uns über die Zusendung von Abstracts (200-300 Wörter auf Deutsch oder Englisch) bis zum 15. März 2024 an PolitikUndGeschlecht@dvpw.de. Bitte geben Sie in der Betreffzeile „Sektionstagung 2024“ an.

Die eingereichten Abstracts können bspw. folgende Aspekte adressieren, können diese aber auch um andere mögliche Perspektiven erweitern:

• Das Aufkommen von afrodeutschen bzw. Schwarzen feministischen, jüdischen feministischen sowie feministischen Bewegungen von Romn*ja und Sinti*zze im deutschsprachigen Raum und deren transnationale Verbindungen
• Heterogene und plurale Artikulationen von migrantischen und diasporischen Feminismen im deutschsprachigen Raum und in ihren transnationalen Verbindungen
• Die feministischen Bündniskonferenzen der 1990er, 2000er und 2010er Jahre
• Anti-, post- und dekoloniale Feminismen; Queer-Feminismen; queer und trans* of color critique
• Krüppelfrauengruppen, intersektional-feministische Be_hindertenbewegungen, queer-feministischer DisAbility-Aktivismus
• Allianzen und solidarische Bündnisse zwischen Bewegungen
• Kämpfe um reproduktive Selbstbestimmung und Gerechtigkeit und gegen anti-/natalistische nationalistische rassistische ableistische Politiken
• Selbstorganisierung und Autonomie von Sexarbeiter*innen in historischer und gegenwärtiger Perspektive, im Digitalen und transnational
• Unterschiedliche Arrangements von Sorge und Verwandtschaft/kinship
• Antirassistische und rassismuskritische feministische Theorie und Praxis
• Die Vielfalt materialistischer und marxistischer Feminismen, einschließlich queer und trans* Marxismus; Feminist Strike; klassenkämpferische Selbstorganisierung und Stadtteilarbeit
• Antirassistische und antifaschistische Kämpfe, Selbstorganisation gegen Rechtsextremismus und rassistischen Terror
• Abolitionistische Feminismen und transformative Gerechtigkeit
• Feministische Refugee Movements, Kämpfe gegen Lager, Abschiebung, Grenzregime
• Ökofeministische Theorien und Bewegungen in transnationalen Verbindungen
• Geschichten und Genealogien konkreter feministischer Gruppen, Initiativen und (Selbst-) Organisationen
• Kulturelle und künstlerische Praxen und Interventionen in den unterschiedlichsten Genres (Film, Literatur, Kunst, Musik, digitale und soziale Medien), eigene Publikationsorgane

ORGANISATORISCHES

Die Keynote wird gehalten von Encarnación Gutiérrez Rodríguez (Goethe-Universität Frank-furt/Main) im Gespräch (tbc) mit Serpil Unvar (Bildungsinitiative Ferhat Unvar Hanau). Am zweiten Veranstaltungstag fällt die Mitgliederversammlung der Sektion „Politik und Geschlecht“ mit einem Vernetzungsbrunch zusammen, bei dem sich auch interessierte Dritte über die Arbeit der Sektion und Beitrittsmöglichkeiten informieren können.
Die Sektion bemüht sich um eine möglichst barrierefreie Ausrichtung der Tagung und freut sich diesbezüglich über konkrete Hinweise und Bedarfe von Interessent*innen und Beitragenden. Kostenlose Kinderbetreuung ist mit Voranmeldung möglich, ebenso wird voraussichtlich die Finanzierung der Reise- und Unterkunftskosten sowie der Verpflegung der Beitragenden übernommen werden.
Bei Fragen und Anregungen stehen wir jederzeit zur Verfügung. Bitte melden Sie sich per E-Mail an PolitikUndGeschlecht@dvpw.de.

“LIVING ARCHIVES”
Past and Present of Intersectional-Feminist Movements in Theory and Praxis

June 27 – 28, 2024 | University of Bremen

Conference of the Section “Politics and Gender” in the German Political Science Association in cooperation with the DFG Research Training Group “Contradiction Studies” and the Research Network “Worlds of Contradiction”

On the occasion of the Section’s 30th anniversary, the 15th Speakers’ Council of the DVPW (German Political Science Association) Section “Politics and Gender” will organize the conference “Living Archives”. The conference is dedicated to the overdue appreciation of the history of intersectional feminisms in German-speaking contexts (and their transnational connections). In decades of community organizing, intersectional feminists have highlighted the pervasive influence of racism and antisemitism on (academic) knowledge production. They have fought for the recognition of class struggles, and of migrant, Jewish, Afro-German and Black, Rom*nja and Sinti*zze, anti-ableist and queer*feminist perspectives. However, the status of these perspectives in academia and in social movements often remains precarious. By putting “Living Archives” center stage the conference will focus on the lived experiences of people and communities who are/have been part of intersectional (political) movements. We want to provide a space to explore diverse knowledges, forms of theory production, and political practices. These diverse archives have played a vital role in pluralistic, post-national-socialist, and post-colonial democratization processes.
The “Living Archives” of intersectional movement history offer a rich reservoir for emancipatory and transformative present and future politics. Nevertheless, they have as of yet not been sufficiently recognized within the political science canon and within academic women’s and gender studies. However, the aim of the conference is not merely to expand the existing university canon. Rather, resistant genealogies can become the starting point for critiques of current modes and mechanisms of exclusion in academic knowledge production. In this way, potential forms of complicity with various forms of domination and inequality in academic knowledge production become visible.
The conference will also establish a link between intersectional-feminist theory and practice, and Contradiction Studies, as they are currently being developed at the University of Bremen. We therefore invite contributions which address emancipatory forms of contradiction and talking back against hegemonic archives of feminist knowledge production and movement with an eye towards marginalized perspectives and their intersections as well as the contradictions, ambivalences, and histories of living archives.
Since knowledge production does not only take place in academic contexts, the conference specifically invites submissions that highlight non-university-based, political, artistic, and cultural knowledge production and social movement formations.

SUBMISSIONS

The organizers are looking forward to a board range of topics and presentations in order to discuss intersectional movement histories in theory and practice, past and present. We are also interested in contributions which explore conflictual and ambivalent connections as well as their inter- and transdisciplinary locations.

We look forward to receiving abstracts (200-300 words in German or English) by March 15, 2024, to PolitikUndGeschlecht@dvpw.de. Please put “Section Conference 2024” in the subject line.

The submitted abstracts may address some of the following aspects, but we are also welcoming contributions which consider other critical perspectives:

• The emergence of Afro-German and Black feminist, Jewish feminist, and feminist movements of Rom*nja and Sint*izze in German-speaking countries and their transnational connections
• Heterogeneous and plural articulations of migrant and diasporic feminisms in Germanspeaking countries and their transnational connections
• The feminist “Bündniskonferenzen” of the 1990s, 2000s and 2010s
• Anti-, post- and decolonial feminisms; queer feminisms; queer and trans* of color critique
• Intersectional-feminist disability movements, queer-feminist disability activism
• Alliances and solidarity between movements
• Struggles for reproductive justice and against anti-/natalist nationalist racist ableist policies
• Self-organization of sex workers in historical and contemporary perspective
• Different arrangements of care and kinship
• Anti-racist and racism-critical feminist theory and practice
• The diversity of materialist and Marxist feminisms, including queer and trans* Marxism; class struggle and feminist strikes; community organizing at the neighborhood level
• Anti-racist and anti-fascist struggles, self-organization against right-wing extremism and racist terror
• Abolitionist feminisms and transformative justice
• Feminist refugee movement struggles against camps, deportation, and border regimes
• Ecofeminist theories and movements in transnational connections
• Histories and genealogies of specific feminist groups, initiatives, and (self-)organizations
• Cultural and artistic practices and interventions in a wide variety of genres (film, literature, art, music, digital and social media), grassroots publishing

ORGANIZATIONAL MATTERS

The keynote will be held by Encarnación Gutiérrez Rodríguez (Goethe University Frankfurt/Main) in conversation (tbc) with Serpil Unvar (Bildungsinitiative Ferhat Unvar Hanau). On the second day of the event, the general assembly of the “Politics and Gender” section will host a networking brunch. This is also an opportunity to find out about the section’s work and how to join it.
The section endeavors to make the conference as accessible as possible and welcomes inquiries and information about their specific requirements from interested parties and contributors. Free childcare is available with advance notice. We will probably be able to cover travel costs, accommodation and meals for contributors. If you have any questions, please do not hesitate to contact us at PolitikUndGeschlecht@dvpw.de.