36. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Ethnologie und Medizin (AGEM) in Kooperation mit dem Alexius/Josef-Krankenhaus in Neuss und der Verbundforschungsplattform Worlds of Contradiction der Universität Bremen.
Der Alltag in einer Psychiatrie wird von unterschiedlichsten Akteur*innen bestimmt. Neben den Patient*innen gibt es unter anderem den ärztlichen und den pflegerischen Dienst, Psycholog*innen, Mitarbeitende der therapeutischen Dienste wie Sport-, Ergo- und Musiktherapie, klinische Sozialarbeiter*innen und Genesungsbegleiter*innen wie Seelsorger*innen oder Klininkclowns sowie Mitarbeiter*innen in der Verwaltung, Raumpflege und Küche, die miteinander auf unterschiedlichen Ebenen kooperieren. Eingebettet sind diese Beziehungen in ökonomische, infrastrukturelle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Zudem beeinflussen die sozialen und kulturellen Hintergründe von Patient*innen und Mitarbeitenden die jeweiligen Beziehungen genauso wie die Wahl der Behandlungsform, insbesondere die der Medikation. Dabei zeichnen sich die Beziehungen der beteiligten Akteur*innen durch unterschiedlichen Asymmetrien in den Bereichen des Wissens, des Handelns, der Macht und des Nutzens aus.
Eine lange Tradition besteht in dem Versuch, die Kooperationen und besonders die zwischen Patient*innen und Mitarbeitenden einer psychiatrischen Institution zu symmetrisieren. Dennoch stehen symmetrische und asymmetrische Beziehungen in einem Spannungsverhältnis, kommt doch der Alltag in der Psychiatrie zumeist nicht ohne asymmetrische Beziehungen und paternalistische Entscheidungen aus. Trotz verschiedenster Bemühungen, standardisierte Verfahren der Kooperation zu entwickeln, bleibt der Klinikalltag unberechenbar und voller Widersprüche und stellt alle Akteur*innen täglich vor neue Herausforderungen, das Zusammenspiel aller menschlichen wie nicht-menschlichen Akteur*innen (Architektur, SGB V, Medikamente usw.) auszuhandeln.
Auf dieser Tagung möchten wir verschiedene Ebenen der Kooperationen dieser unterschiedlichen Akteur*innen und ihre Auswirkungen auf den psychiatrischen Alltag in den Blick nehmen. Dazu gehören:
1) Kooperationen zwischen Wissenschaften und Krankenhauspraxis: Wie werden Forschungsergebnisse in der Medizin und der Pflegepraxis umgesetzt und wie wird die Krankenhauspraxis in der Forschung berücksichtigt?
2) Kooperationen zwischen den Disziplinen: Wie kooperieren unterschiedliche Disziplinen mit ihren unterschiedlichen Ansätzen miteinander und welche Synergien und Widersprüche entstehen dadurch?
3) Kooperationen zwischen Patient*innen und ärztlichem, pflegerischem und weiterem Personal: Wie wird das Verhältnis zwischen Regulierung und Empowerment der Patient*innen im Alltag ausgehandelt und welche Möglichkeiten und Grenzen ergeben sich bei dem Versuch einer Symmetrisierung des Verhältnisses von Patient*innen und ärztlichem und pflegerischem Personal?
Einreichungen
Wir suchen nach interdisziplinären Beiträgen unterschiedlichster Art (Vorträge, Erfahrungsberichte, Roundtables, Workshops,…) sowohl aus dem Bereich der Sozial-, Kultur- und Geschichtswissenschaften als auch aus dem medizinischen und pflegerischen Alltag, um durch einen multiperspektivischen Blick auf die Facetten der Kooperation die aktuellen Möglichkeiten und Grenzen (a)symmetrischer Beziehungen im psychiatrischen Klinikalltag abzustecken.
Zugesagt sind bereits Beiträge zum Konzept der Soteria auf einer psychiatrischen Akutstation (Adriane Canavaros), zu freiheitsentziehenden Maßnahmen und Deeskalation (Dr. Paul Weißen/Thomas Plötz und Andreas Hethke), zur Umsetzung eines europäischen Forschungsprojektes zum Experienced Involvement (Heidrun Lundie) und ein Bericht über die Teilöffnung einer gerontopsychiatrischen Station (Dr. Andrea Kuckert und Kolleg:innen).
Tagungssprache ist Deutsch, englischsprachige Beiträge sind möglich. Bitte senden Sie ein Abstract von ca. 300 Wörtern für einen Vortragsvorschlag oder einen anderen Beitrag inkl. einer Kurzbiographie bis zum 31. Mai 2024 an facettenderkooperation@agem.de
Konzept und Organisation
Andrea Kuckert (AGEM, Alexius/Josef-Krankenhaus Neuss)
Ehler Voss (AGEM, Worlds of Contradiction, Universität Bremen)